Band 1 von 8 Bänden – Von Reinhard Jordan mit einem Nachwort und Ergänzungen von Dr. Gunter Görner.
Reprint 1908/2015, Festeinband mit 180 Seiten sowie 4 Abbildungen.
N a c h w o r t
Auch im 4. Band der "Chronik der Stadt Mühlhausen in Thüringen" wurden handschriftliche Chroniken verschiedener Mühlhäuser Bürger erstmalig veröffentlicht.
Auf den Handwerksmeister Georg Andreas Sellmann, den Arzt Dr. Christian Gottlieb Altenburg, den Gärtner Georg Gottlob Burckhardt, den Notar Christian Andreas Bader und andere verdienstvolle Mühlhäuser Chronisten, auf deren Aufzeichnungen der vorliegende Band beruht, wurde bereits im Vorwort zum 3. Band sowie im Nachwort der Reprintausgabe des ersten Bandes dieser Stadtchronik eingegangen, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.
Indem der Herausgeber Prof. Dr. Jordan die Lokalhistoriker jeweils für denjenigen Zeitabschnitt zu Wort kommen lässt, den sie selbst erlebt haben, erhält der Leser einen unmittelbaren Einblick in das damalige Zeitgeschehen. Die bewegenden Schilderungen des von vielen Mühlhäusern als schmerzlich empfundenen Verlustes der Reichsfreiheit im August 1802, des Durchzugs der von Napoleon geschlagenen preußischen Truppen im Oktober 1806 und die anschließende Besetzung der Stadt durch die Franzosen oder des Einzugs der Russen, Kosaken, Schweden und anderen Alliierten in die Stadt im Verlauf des Befreiungskrieges 1813, die auch ein anschauliches Bild von der Stimmung der Mühlhäuser Bürgerschaft in jenen Tagen vermitteln, sind in ihrer Lebensnähe in keinem Aktenstück nachzulesen.
Die Chroniken zeichnen sich auch dadurch aus, dass nicht nur über den Ablauf der verschiedenen Ereignisse, sondern auch über deren Auswirkungen auf das tägliche Leben der Bevölkerung berichtet wird. So wird beim Einzug fremder Kriegsvölker in die Stadt nicht nur deren Aussehen und Ausrüstung bildhaft beschrieben, sondern auch festgehalten, welche enormen Belastungen die Einquartierung dieser Truppen für die Einwohner bedeutet hat. Selbst bei den Nachrichten über Wettererscheinungen wird nicht versäumt, deren Einfluss auf das Wachstum der Feldfrüchte und damit auf die Lebensmittelpreise mitzuteilen. Besonders ausführlich und mit viel Liebe zum Detail schreiben die Chronisten über festliche Ereignisse, wie die Besuche gekrönter Häupter in der Stadt sowie Jubiläums- und Siegesfeiern und die dabei von den Mühlhäusern entfalteten künstlerischen Aktivitäten. Diese Berichte sind nicht nur vergnüglich zu lesen, sondern besitzen auch für den Volkskundler beachtlichen Quellenwert.
Natürlich haben die Chronisten nur das aufgeschrieben, was aus ihrer Sicht wichtig war, für die Nachwelt festgehalten zu werden, beurteilten sie die politischen Vorgänge anhand der oft spärlichen Informationen, die ihnen als einfache Bürger zur damaligen Zeit zur Verfügung standen. Auch die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts rasch ändernden politischen Verhältnisse - zunächst die Inbesitznahme der Kaiserlichen freien Reichsstadt durch das Königreich Preußen, wenige Jahre später die Eingliederung in das Königreich Westfalen und im Ergebnis des Befreiungskrieges die erneute Zugehörigkeit zu Preußen - haben das Erfassen der großen politischen Zusammenhänge nicht gerade erleichtert. Deshalb beansprucht die vorliegende Chronik auch nicht, ein umfassendes Bild der politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung Mühlhausens im Berichtszeitraum zu geben. ...
Dr. Gunter Görner